Bundestrojaner - Umstrittene Software wohl tatsächlich eingesetzt

Anscheinend wurde der "Staatstrojaner", den der Chaos Computer Club (CCC) auf einigen Festplatten entschlüsseln konnte, tatsächlich auch eingesetzt - und zwar in Bayern.

 

Karlsruhe/München (dapd/AFP/red) - Eine erste Bewertung habe ergeben, dass die dem CCC zugespielte Trojaner Software einem Ermittlungsverfahren der bayerischen Polizei aus dem Jahr 2009 zugeordnet werden könne, erklärte das Innenministerium. Noch nicht bestätigt werden könne, ob es sich bei der vorliegenden Datei um eine Testversion aus der Entwicklungsphase oder um die später im Verfahren tatsächlich eingesetzte Version der Software handelt. Bei dem Vorgang handelt es sich offenbar um einen Fall, bei dem nach Angaben des Landshuter Rechtsanwalts Patrick Schladt "Screenshots" - also Fotoaufnahmen vom Bildschirm - gemacht wurden.

 

Spionage soll richterlicher Beschluss vorausgegangen sein

 

Die bayerischen Behörden sehen ihr Vorgehen durch die Rechtslage gedeckt. "Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung 2008 ist eine Quellen-TKÜ zulässig, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird", erklärte Herrmann. Nichts anderes sei in Bayern bisher praktiziert worden. Sämtlichen Maßnahmen sei ein richterlicher Beschluss vorausgegangen. Bei der Quellen-TKÜ werden Telekommunikationsdienste wie Telefonieren oder E-Mail-Verkehr überwacht.

 

Spionagesoftware könnte weitereichende Überwachung ermöglichen

 

Nach Darstellung des CCC kann die fragliche Software aber auch für weitergehende Überwachung verwendet werden, für die es wesentlich engere Grenzen gibt. So wäre mit der geknackten staatlichen Überwachungssoftware ein "digitaler großer Lausch- und Spähangriff" möglich. Über das Nachladen von Überwachungsmodulen auf einen infiltrierten Computer könne ferngesteuert auf das Mikrofon, die Kamera und die Tastatur des Rechners zugegriffen werden, befürchten die Computerexperten. Tatsächlich wäre dies eine "eklatante Überschreitung" des rechtlichen Rahmens, den das Bundesverfassungsgericht am 27. Februar 2008 im Urteil zur Online-Durchsuchung gesetzt hatte.

 

Urteil: Was ist durch Karlsruhe erlaubt und was nicht?

 

Damals hatten die Karlsruher Richter ein neues Datenschutz Grundrecht geschaffen - das "Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme". In dem Urteil, mit dem das Verfassungsgericht heimliche Online-Durchsuchungen privater Computer nur unter sehr strengen Auflagen erlaubt hatte, gibt es einen Kernsatz:"Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt."

 

Fragliche Software kommt vermutlich aus Hessen

 

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte zuvor gesagt, es solle auf allen Ebenen untersucht werden, ob Stellen des Bundes den Trojaner eingesetzt haben. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, es gebe bislang keinerlei Hinweise, dass Sicherheitsbehörden aus dem Bereich seines Ressorts die vom CCC untersuchte Software eingesetzt haben. Nach Angaben eines Sprechers von Friedrich ist die untersuchte Software rund drei Jahre alt und wurde offenbar von einer privaten Firma aus dem Ausland angeboten. Dem widersprach CCC-Sprecher Frank Rieger. "Das aktuellste Sample, das wir analysieren konnten, stammt vom Dezember 2010", sagte er zu Bild.de. Nach Informationen des hessischen Rundfunks wurde die Software von der hessischen Firma "DigiTask" programmiert. Die Firma habe den bayerischen Ermittlungsbehörden im Herbst 2007 die Überwachungssoftware angeboten, berichtete "HR-Info" am Montag.

 

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